Konzept, gesetzliche Rahmenbedingungen und Finanzierung

Die Grundidee

Wohngemeinschaften von Menschen mit Pflegebedarf sind eine noch relativ neue Idee. Sie entstanden aus dem Wunsch heraus, dass die Betroffenen zwar rund um die Uhr die Sicherheit haben sollten, dass eine Pflegekraft in der Nähe ist, aber ohne in einer Institution zu leben, die vorgibt, wie der Bodenbelag aussieht und wann es Essen gibt. Das Ziel war möglichst viel Selbstbestimmung und möglichst viel Normalität: eine kleine, familienähnliche Struktur und vertraute häusliche Tätigkeiten. Dementsprechend ist auch das wichtigste Merkmal an einer Wohngemeinschaft, dass die Wohnung das private Zuhause der Menschen ist, die darin leben.

Die Mieter*innen in einer Wohngemeinschaft verfügen über das Hausrecht, sie müssen sich nicht – wie in einem Heim – an die Regeln der Institution halten. Vielmehr müssen die Menschen und Institutionen, die an der Pflege und Versorgung beteiligt sind, sich nach den Bedürfnissen der Mieter*innen bzw. der Bewohner*innen richten. Und die Bewohner*innen (bzw. ihre Vertretungspersonen, also Angehörige und Betreuer*innen) müssen miteinander abstimmen, wie sie gerne leben möchten. Dies heißt auf der anderen Seite: Es passiert auch nichts „von alleine“. Sondern nur das, was man selber tut oder selber veranlasst. Wie in jedem anderen Zuhause auch.

Die Entwicklung von der Idee zur Praxis

In den letzten Jahren ist viel in Bewegung gekommen: Stationäre Einrichtungen bieten Hausgemeinschaften an. Bei den ambulant betreuten Wohngemeinschaften hat sich eine ganze Bandbreite von Modellen etabliert. Je nachdem, wie viel Selbständigkeit ein Mensch haben möchte und bewerkstelligen kann, können fast vollständig selbstgesteuerte Wohnformen gewählt werden oder solche mit intensiver Koordination und Unterstützung ggf. auch durch externe Partnerinstitutionen.

Auch das Konzept der selbstbestimmten Wohngemeinschaft hat sich verändert, seit es Hunderte davon gibt. Es hat sich herauskristallisiert, dass Pflegedienste, willentlich oder nicht, eine stärkere Rolle in der Alltagsgestaltung der Wohngemeinschaften übernommen haben, als dies in der Gründungsphase der ersten WG-Projekte gedacht war. Viele Bewohner*innen werden von Berufsbetreuer*innen vertreten, deren Zeit es kaum erlaubt, sich in dem Maße in das WG-Leben einzubringen, wie es wünschenswert wäre. Aus unterschiedlichsten Gründen gilt dies auch für Angehörige, die in vielen Wohngemeinschaften weniger präsent sind, als erhofft. Auch das ehrenamtliche Engagement in Wohngemeinschaften steckt vielfach noch in den Anfängen.

Für die Gesetzgebung ist es eine schwierige Gratwanderung, diesen Entwicklungen gerecht zu werden und Gesetze zu schaffen, die einerseits genügend Kontrolle zum Schutz der Bewohner*innen ausüben und andererseits nicht ihr Recht auf Privatsphäre verletzen.

Die Entwicklung der Gesetzgebung

Die Gesetzgeber*innen der Länder haben auf unterschiedliche Weise auf die Situation reagiert. Viele haben begonnen, den Leistungserbringern Pflichten aufzuerlegen. Diese unterscheiden sich, je nachdem, wie selbständig eine Wohnform gestaltet ist. Die Gesetzeslandschaft ist jedoch noch sehr unterschiedlich und im Werden begriffen. Im Groben lässt sich die Entwicklung jedoch so zusammenfassen:

Mehr Freiheit und mehr Rechte führen auch zu mehr Verantwortung. Die Wohngemeinschaft wird in dem Maße als privater Raum anerkannt, in dem das tägliche Leben von den dort lebenden Menschen und ihren Angehörigen oder Betreuungspersonen gestaltet wird.

Und umgekehrt: Je höher die Abhängigkeit der Bewohner*innen vom Leistungserbringer ist (insbesondere wenn es einen Zusammenhang zwischen Miet- und Pflegevertrag gibt), desto eher wird die Wohngemeinschaft mit den gesetzlichen Auflagen einer stationären Einrichtung versehen.

In gewisser Weise sind Sie und auch wir als FAW Teil eines Experiments zur Frage: In welchen Wohn- und Betreuungsformen möchten wir in Zukunft gerne älter werden? Derzeit erfreut sich die Wohnform WG großer Beliebtheit und wir hoffen, dass wir alle gemeinsam dazu beitragen können, sie lebenswert zu gestalten.

Die gesetzliche Grundlage in Berlin

Die Regelungen für das Land Berlin sind in der Neufassung des Wohnteilhabegesetzes (WTG) vom 4. Mai 2021 festgelegt. Nach § 5 WTG muss eine Wohngemeinschaft bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, um als selbstverantwortet zu gelten:

  • Es dürfen nicht mehr als zwölf Personen darin wohnen.
  • Der Vertrag über die Wohnraumüberlassung und der Vertrag über die Erbringung der Pflege- und Betreuungsleistungen
    müssen rechtlich und tatsächlich in ihrem Bestand voneinander unabhängig sein.
  • Das Zusammenleben und die Alltagsgestaltung dürfen nicht eigenmächtig von den Leistungserbringern bestimmt werden.
  • Die Pflege- und Betreuungsdienste dürfen keine Büro-, Betriebs- oder Geschäftsräume in der Wohngemeinschaft haben.
  • Die Wohngemeinschaft darf organisatorisch nicht Bestandteil einer stationären Einrichtung sein.
  • Der Pflegedienst muss frei wählbar sein.

Der Gesetzestext legt auch fest, dass und wann die Aufsichtsbehörde überprüft, ob eine Pflege-WG selbst- oder anbieterverantwortet ist (§ 25 WTG).